Unterhaltsverpflichtung bei Sozialhilfegewährung
Wenn Eltern oder Elternteile pflegebedürftig werden, stellt sich die Frage der Finanzierung der Pflegekosten. Zunächst sind Leistungen der Pflegekasse und Pflegewohngeld zu beantragen, sowie das eigene Einkommen und Vermögen einzusetzen. Reichen die eigenen Einkünfte und Vermögenswerte nicht aus oder sie sind aufgebraucht, kann die pflegebedürftige Person Sozialhilfeleistungen beantragen.
Um Ihnen den Zugang zu dem Thema zu erleichten, wurden häufig gestellte Fragen zusammengeführt und beantwortet. Die folgenden Informationen erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Weshalb werden Unterhaltspflichtige angeschrieben?
Sobald Sozialhilfe gewährt wird, gehen Unterhaltsansprüche der Eltern oder eines Elternteils gem. § 94 SGB XII kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger über. Aufgrund des am 29.11.2019 vom Bundesrat beschlossenen Angehörigen-Entlastungsgesetzes werden allerdings ab 01.01.2020 nur noch Kinder von pflegebedürftigen Eltern zum Unterhalt herangezogen, bei denen das Jahresbruttoeinkommen des unterhaltspflichtigen Kindes den Betrag von 100.000,- € übersteigt.
2. Wer ist unterhaltspflichtig im Rahmen der Sozialhilfegewährung?
- leibliche oder adoptierte Kinder, aber keine Stief- und Enkelkinder
- ggf. der getrennt lebende bzw. der geschiedene Ehegatte des/der Hilfebedürftigen
Sozialhilfe wird immer nachrangig gegenüber anderen Leistungen, insbesondere gegenüber dem familienrechtlichen Unterhalt, geleistet.
3. Auskunftserteilung
Diejenigen Kinder, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ihr Jahresbruttoeinkommen 100.000,- € übersteigt, werden daher über die Hilfe informiert und aufgefordert, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachzuweisen. Gleichzeitig werden die Unterhaltspflichtigen um Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse gebeten. Die Kinder und deren Ehepartner sind zur Offenlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet (§ 117 SGB XII). Inhalt und Umfang der Auskunftserteilung ergeben sich aus § 1605 BGB.
Der Ehegatte eines Unterhaltspflichtigen ist selbst nicht zum Unterhalt verpflichtet, muss aber auch sein Einkommen gem. § 117 SGB XII offen legen, da dieses für die Unterhaltsberechnung benötigt wird. Denn die gemeinsamen Belastungen der Eheleute werden im prozentualen Verhältnis der Einkommen der Eheleute zueinander auf jeden Ehegatten aufgeteilt.
Zu beachten ist, dass ab dem Zeitpunkt des Auskunftsverlangens grundsätzlich Unterhalt verlangt werden kann. Es kommt somit nicht darauf an, ab wann ein konkret bezifferter Unterhaltsbetrag geltend gemacht wird, sondern wann die Angehörigen über die Leistungsgewährung und den Übergang der Unterhaltsansprüche in Kenntnis gesetzt wurden.
4. Muss in jedem Fall Auskunft über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilt werden?
Die Auskunft soll die Prüfung der Unterhaltsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach ermöglichen und muss daher vollständig sein. Sofern die Unterhaltspflichtigen bereit und in der Lage sind, die Kosten der Sozialhilfe ab Zugang der Rechtswahrungsanzeige voll zu erstatten, ist die Erteilung von Auskünften über die Eigentums- und Vermögensverhältnisse nicht erforderlich. Der Hochsauerlandkreis ist verpflichtet, Auskünfte von Ihnen einzuholen. Sie sollten sich daher auf jeden Fall innerhalb der Ihnen gesetzten Frist melden. Sie können auch gerne einen Termin vereinbaren, um im persönlichen Gespräch Fragen zu klären. Im Falle einer Auskunftsverweigerung kann der gesetzliche Auskunftsanspruch im Wege der Auskunftsklage vor dem Familiengericht durchgesetzt werden.
5. Unterhalt aus Einkommen: Wie wird das zu berücksichtigende Einkommen berechnet?
Zum Einkommen gehören alle Einkünfte der letzten 12 Monate (Nettogehalt), also auch Sonderzahlungen des Arbeitgebers wie z.B. das Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie alle geldwerten Einkünfte. Auch wird beispielsweise der Wert des mietfreien Wohnens einer eigengenutzten Immobilie sowie Steuererstattungen, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Krankengeld oder Arbeitslosengeld als Einkommen angesehen. Die Einkünfte werden um besondere Belastungen und Aufwendungen bereinigt, z.B. um Beiträge zur Altersvorsorge, Unterhalt für vorrangig Berechtigte (wie z.B. Kinder), berufliche Aufwendungen, ggf. Versicherungsbeiträge und bestehende Ratenkredite. Ihnen werden an dieser Stelle sofort Belastungen einfallen, die Sie unter "besondere Belastungen" abziehen würden.
6. Was kann vom Einkommen alles abgesetzt werden (einschl. vereinfachtem Berechnungsbeispiel)?
Abzüge können nicht unbeschränkt erfolgen, sondern nur in einem angemessenen Rahmen und nur soweit die Belastungen nicht schon im Selbstbehalt enthalten sind (wie z.B. Telefonkosten, Kosten für Hobbys, für Zeitungsabonnements, Stromkosten, Kabelanschlussgebühren, Hausrat-, Rechtsschutz-, Haftpflichtversicherung). Dies muss in jedem Fall einzeln geprüft werden.
Das so bereinigte Nettoeinkommen wird dem angemessenen Selbstbehalt gegenübergestellt. Für den alleinstehenden Unterhaltspflichtigen beträgt der mtl. Mindestselbstbehalt seit 01.01.2024 2.650 €; darin enthalten ist eine Warmmiete von 1.275 €. Für den verheirateten Unterhaltspflichtigen und dessen Ehegatten beträgt der gemeinsame mtl. Mindestselbstbehalt 4.770 € (Unterhaltspflichtiger = 2.650 € und Ehegatte = 2.120 €); darin sind insgesamt 1.700 € Warmmiete enthalten.
Als Überblick hier ein vereinfachtes Berechnungsbeispiel:
Nettoeinkommen (aus Arbeit, Renten, Zinsen, Mieten)
+ Besondere Einkommen (aus z.B. Wohnvorteil bei Eigenheimbesitz, Steuererstattungen)
- Unterhaltsbelastungen (für Ehepartner, Kinder)
- besondere anzuerkennende Belastungen
= bereinigtes Nettoeinkommen
- angemessener Selbstbehalt (Alleinstehend 2.650 €, Ehegatten 4.770 €)
* 50 %
= Unterhaltspflicht
Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Elternunterhalt zu gewähren.
7. Was passiert, wenn der geforderte Unterhalt nicht gezahlt wird?
Der Hochsauerlandkreis teilt dem Unterhaltspflichtigen die Höhe der Unterhaltsforderung mit. Bestehen Zweifel gegen die Unterhaltsheranziehung oder bestehen Einwendungen gegen die Unterhaltsberechnung, so sollte dies umgehend an die zuständige Unterhaltsstelle formlos mitgeteilt werden. Leistet der Pflichtige den berechneten Unterhalt nicht, so muss der Hochsauerlandkreis ihn vor dem Amtsgericht verklagen. In einem solchen Fall müsste der Unterhalt beim zuständigen Amtsgericht eingeklagt werden. Falls der Klage stattgegeben wird, wären dann auch noch die Gerichtskosten vom Unterhaltsschuldner zu tragen.
8. Wie wird der Unterhalt berechnet, wenn mehrere Unterhaltsverpflichtete vorhanden sind?
Mehrere unterhaltspflichtige Kinder werden anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen in Anspruch genommen: Wer viel leisten kann, zahlt auch viel, wer wenig leisten kann entsprechend weniger. Maximal müssen alle zusammen die tatsächlichen Sozialhilfeausgaben zahlen.
9. Welche Gründe führen zu einer Befreiung von der Unterhaltspflicht?
Es gibt ggf. schwerwiegende Gründe, die einen Unterhaltsanspruch ausschließen oder vermindern können. Häufig sind familiäre Probleme im Elternhaus ursächlich, sich von der persönlichen Verpflichtung zu distanzieren. Der Unterhaltspflichtige muss die behaupteten Gründe hierfür im Einzelnen sachlich und nachvollziehbar gegenüber dem Hochsauerlandkreis darlegen.
Rechtsgrundlagen für den Elternunterhalt
§§ 94, 117 SGB XII in Verbindung mit §§ 1601 ff. BGB. Die wenig erschöpfenden Rechtsvorschriften sind durch die "Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte", die "Düsseldorfer Tabelle" und durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausgefüllt worden.
Eine Unterhaltsberechnung ist umfangreich und zeitaufwendig. Die Rechtsberatung bei Unterhaltsangelegenheiten obliegt den Rechtsanwälten, die nähere Auskünfte hierzu erteilen.
Bitte haben Sie daher Verständnis, dass vorsorgliche Unterhaltsberechnungen nicht durchgeführt werden. Bei konkreten Fragen stehen wir Ihnen aber gerne nach Terminabsprache zur Verfügung.